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KLEINE G"SCHICHTEN UND KEIN RABATT  
01/08/2001 - popxl.de 01/08/01
»Suzuki« von Tosca ist mit 110.000 weltweit verkauften Exemplaren eines der erfolgreichsten Dance-Album des Jahres 2000. Anlässlich der Veröffentlichung des Remix-Albums »Suzuki In Dub« unterhielt sich Andreas Boer mit Richard Dorfmeister (*1968 in Wien) über zwingend Notwendiges und unwesentliche Bademäntel, Japan und Madonna und den Unterschied zwischen Remix und Session. Und über das Kruder-&-Dorfmeister-Album, das (eventuell) nächstes Jahr erscheint.

Wie redet man dich offiziell an?

Mit Dr. Rich.

Okay, Dr. Rich, dürfen deine Remixer machen, was sie wollen?

Die machen, was sie wollen! Das war die Grundidee: alles ist völlig frei. Das Grundmaterial ist gut zu verwerten, weil es sehr rhythmische Stimmen enthält. Das war auch mit dem »Chocolate Elvis« so. Auch aus dem lässt sich leichter ein Remix bauen als aus harmoniebezogenen Vocals. Und ich bin relativ glücklich mit dem Ergebnis.

Ich finde, mit dem »Choclate Elvis« kann man die »Suzuki«-Dubs nicht vergleichen. Und ich habe mir eine Theorie zurechtgebastelt, warum das diesmal nicht so gut funktionieren konnte: euer Album ist einfach zu gut.

Danke. (lacht)

»Suzuki« ist auf das zwingend Notwendige reduziert, nicht wahr?

Klar, wir haben herunter produziert. Keine Frage! Alles, was sozusagen in Richtung »unnötig« gegangen ist, ist rausgeflogen.

Am Ende ist die Essenz von Schönheit geblieben. Und da ist es natürlich für einen Remixer sehr schwer, diese Schönheit auf demselben Niveau zu verändern.

Das ist wahr. Aber dafür haben die unsere Stücke mehr in die Dance-Richtung gezogen. Als DJ-Tool ist »Suzuki In Dub« sehr gut verwendbar. Und ich finde, zum Durchhören ist es auch okay. Also erfüllt es beide Zwecke.

Mir ist aufgefallen: Du vermeidest das Wort Remix.

Ursprünglich entsteht ein Remix, wenn die Orginalteile neu abgemischt werden. Peter und ich haben uns schon immer gegen das Wort Remix gewehrt und es damals schon Session genannt, um zu zeigen, dass wir einen Schritt weiter gehen. Wir machen aus dem Original eine neue Nummer. Der grundlegende Unterschied ist, dass wir neu interpretieren und nicht nur neu mischen.

Wie seid ihr zu der Neu-Interpretation von Madonnas »Nothing Really Matters« gekommen?

Madonna selbst hat den Anstoß gegeben. Wir haben zugesagt, weil wir sie als Ikone respektieren, Kommerzialität hin oder her. Auch wenn der Mix sich wahrscheinlich nicht so gut verkauft hat wie ein Sanchez-Mix. Ich glaube trotzdem, dass es der beste Madonna-Remix gewesen ist, den es je gegeben hat. Wenn du hörst: ein Groove-Armada-Mix von »Music«! Wow! Interessant! Doch dann war es wieder nur so ein Kompromiss, dann doch wieder kommerziell. So wie das ganze Album von ihr ist. Im Endeffekt doch nicht gewagt.

Vor zwei Jahren habe ich mit Martin Gore über Remixe gesprochen. Er hat mir erzählt, wie enttäuscht er manchmal ist, wenn ein Depeche-Mode-Stück remixt zurückkommt, und wie selten sein Kiefer nach unten klappt, wie zum Beispiel bei der Kruder-&-Dorfmeister-Session von »Useless«. Wie ist es für dich, deine Stücke neu bearbeitet zu hören?

Es ist extrem spannend. Es gibt allerdings nichts Mühsameres, als wenn der Mix Schrott ist. Wenn dieser Zustand eintritt, dann sage ich immer »straight away«, dass mir das so noch nicht gefällt. Und dann machen die Jungs auch meistens weiter. Allerdings war ich bei »Suzuki In Dub« relativ glücklich.

Wie beim »Chocolate Elvis« ist auch diesmal wieder der Dub von Baby Mammoth am schönsten. Irgendwie scheint es da eine sehr enge Seelenverwandtschaft zwischen den beiden und dir zu geben.

Ich finde, es ist Geschmackssache, welche Version man bevorzugt. Der Baby-Mammoth-Dub ist schön sphärisch geworden, der erzählt seine kleine Geschichte. Ansonsten finde ich auch den Mix von Bernd Friedmann sehr interessant. Aber wie gesagt, das muss jeder für sich beurteilen.

Was hältst du von den minimalen Dub-Tracks, die zum Beispiel auf dem Berliner Label Scape von Stefan Betge veröffentlicht werden?

Ich bin begeistert. Pole (Stefan Betge, Anm. d. Red.) hat ja unsere Platten geschnitten, Dub-Plates angefertigt. Und dann hat er in den nächsten zwei Jahren seine eigenen Alben (»1«, »2«, »3«, Anm. d. Red.) veröffentlicht. Vom Stil her ist Scape ein Avantgarde-Label. Im Grunde ist diese Musik völlig unkommerziell. Wenn man diese Platten normalen Menschen vorspielt, sagen die meistens nur: aha. Was ist das für Zeug? Vom Dub-Ansatz ist es ähnlich wie Tosca, aber der Groove ist ein anderer, viel elektronischer. Wir sind stärker an Black Music orientiert. Dennoch mag ich Scape sehr gern.

Was mich an den Reaktionen zum Tosca-Album gestört hat, war, dass sich alle auf den Entspannungsfaktor und die Bademäntel konzentriert haben, aber die klassische Schönheit in der Musik nicht begriffen haben.

Die Bademäntel waren nur ein unwesentlicher Zusatz. Im Grunde ging es uns darum, die Zeit, in der wir »Suzuki« aufgenommen haben, zu übersetzen. Ein reines Downbeat-Album zu machen, ohne sich stilistisch an irgendetwas anzulehnen, das ist echt ganz gut gelungen. »Suzuki« orientiert sich an nichts. Eines muss man auch einmal sagen: Dieses Jahr ist dieses Downbeat-Ding, das eigentlich mal etwas ganz Spezielles war, extrem breit geworden. Vor allem durch alle diese Ibiza- und Chillout-Compilations. Das ist nur noch ein Ausschlachten von einem gewissen Sound, wie in der »Space Night« auf BR 3. Und das ist sehr stark im Kommen, alles ohne Deepness, ein paar aneinander gereihte Tracks. Und kaum jemand kriegt noch ein echtes Album zustande. Ich tue mich in letzter Zeit immer schwerer, Alben zu finden, bei denen ich sage: wow! Es gibt ein paar Ausnahmen, das Album von Tim »Love« Lee, das von Doctor Rockit hat auch Stil. Aber wie gesagt, das kannst du echt an einer Hand abzählen.

Was dein Label G-Stone, neben der Musik, so unverwechselbar macht, ist der Aufwand, mit denen ihr euch um die Cover-Gestaltung kümmert.

Das ist extrem wichtig, weil wir das alles selber machen. Wir haben von vorn bis hinten die totale Kontrolle. Ich gehe selber zum Lithographen und ich bin bei allen Prozessen dabei, damit nichts schief läuft. Und genau deswegen sind unsere Sachen meistens auch so gut. Unsere Alben sind mit Liebe gemacht, und das Artwork ist ein essentieller Teil davon. Es war extrem aufwändig, die Hülle des Tosca-Albums so zu drucken und zweiseitig zu prägen. Für jemanden, der gerne Platten hat und noch etwas mit edlen Covern anfangen kann — ich habe den Eindruck, es werden immer weniger Freaks —, der kann so etwas schätzen. Für mich sind diese Dinge sehr wichtig. Wenn ich ein Album bekomme, bei dem ich merke, da hat sich jemand etwas gedacht und Zeit investiert, dann bin ich immer ganz begeistert. Leider wird in letzter Zeit zu viel gespart. Die Vierfach-Vinylausgabe von »Suzuki In Dub« ist die teuerste Sache, die ich jemals produziert habe. Ich habe noch nie soviel Geld für eine Platte ausgegeben. Vier Vinyl-Platten auf einmal! Und ich habe bei den Herstellern keinen Rabatt bekommen! Das war mein Dienst am Konsumenten, kein gutes Geschäft. (lacht)

Habt ihr an der »Suzuki« überhaupt etwas verdient, wenn die Cover so teuer waren?

Ja, wir haben schon was verdient. Es ist halt so: Du steckst viel Geld rein und musst ewig warten, bis es wieder zurückkommt. Aber es macht schon Spaß. Für mich ist das immer noch das Beste, Dinge selbst herzustellen. Wenn du diese Arbeit immer jemand anderen machen lässt, ist das zwar einfacher und du hast auch mehr Zeit für das Musikmachen, aber du lernst einfach nichts dazu. Je öfter du das machst, desto besser wird es.

Deine Vision ist das perfekte Gesamtkunstwerk aus hören, fühlen, riechen, gucken ...

Ja genau. Aus allem!

Hast du auf das »Suzuki«-Album Reaktionen aus Japan bekommen?

Unsere Vertriebsstrukturen mit Japan sind extrem schwach sind. Also wenn wir da 200 Stück rübergebracht haben, dann ist das gut. Mehr waren es sicher nicht. Die Importe müssen dort irrsinnig teuer sein. Unabhängige Labels haben große Probleme, auf den japanischen Markt zu kommen. Ich glaube, wir haben in Neuseeland mehr Platten verkauft. (lacht) Absurd, oder?

Wieviele Exemplare von »Suzuki« hat ihr in Europa verkauft?

Insgesamt sind es etwa 110.000 verkaufte Platten. In Amerika sind es, glaube ich, so um die 20.000. Europaweit sind es so 70.000. Durch die ganze Länderstreuung sind dann hier und da immer noch so ein paar Tausend verteilt.

Nach welchen Kriterien veröffentlichst du die Musik anderer Künstler auf deinem Label G-Stone?

Ein Demo muss mich beeindrucken. Es muss mich vom Sessel hauen, damit ich mir die Arbeit antue, das zu veröffentlichen. Nur aus reinen Förderungs-gedanken heraus ist mir das zu wenig. Es gibt andere Labels, die das, glaube ich, besser können. Ich möchte im nächsten Jahr nur Sachen rausbringen, bei denen ich denke: Wow! Das ist echt der Hammer. Gestern hat mich jemand angerufen, dessen Demo zu 90 Prozent einfach nur Schrott ist. Der war dann völlig von den Socken, dass ich das Demo nicht mehr habe. Dass ich dieses Demo, Kassette, CD oder was das war, eben einfach nicht mehr besitze. Der war ganz fertig, dass ich nicht gesagt habe: »Ja, genau du bist jetzt gesignt. Komm vorbei!« Ich habe ihm gesagt, ich hätte kein Interesse und da könne man nichts machen. Der war völlig erledigt. Aber, wie gesagt, es muss schon sehr, sehr gut sein, damit sich mein Arbeits- und Geldaufwand lohnt. Das muss schon Hand und Fuß haben.

Wie geht es mit Kruder & Dorfmeister weiter? Leidet ihr unter dem Druck, noch immer kein Album draußen zu haben?

Der Druck von außen ist weniger geworden. Das hat sich wieder entspannt, weil wir ihn permanent weggelenkt, konsequent ignoriert haben. Eine Zeit lang war es sehr unangenehm. So, wie wir es nie wollten. Wir waren wie öffentliches Eigentum. Jeder will was von dir, und es ist nur noch ein Job. Das war nie die Idee. Die Idee war, dass das eine Freak-Action ist.

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